Support

Lorem ipsum dolor sit amet:

24h / 365days

We offer support for our customers

Mon - Fri 8:00am - 5:00pm (GMT +1)

Get in touch

Cybersteel Inc.
376-293 City Road, Suite 600
San Francisco, CA 94102

Have any questions?
+44 1234 567 890

Drop us a line
info@yourdomain.com

About us

Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing elit.

Aenean commodo ligula eget dolor. Aenean massa. Cum sociis natoque penatibus et magnis dis parturient montes, nascetur ridiculus mus. Donec quam felis, ultricies nec.

Have any Questions? +01 123 444 555

by Dr. Christoph Godefroid

Der Begriff „Zahlungs­un­fähig­keit" in der jüngeren BGH-Recht­sprechung

Die Zahlungsunfähigkeit eines Darlehensnehmers kann in der Praxis der Kreditinstitute in recht unterschiedlichen Konstellationen von erheblicher Bedeutung sein, etwa im Hinblick auf eine Gefährdung oder das Scheitern von Sanierungs- und Restrukturierungsprojekten, für Kündigungsrechte der Bank oder auch bei der Prüfung insolvenzrechtlicher Anfechtungstatbestände (§§ 130 ff. InsO). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in den letzten Jahren den Begriff der Zahlungsunfähigkeit weiter konkretisiert.

Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfordert stets einen Insolvenzgrund (§ 16 InsO). Allgemeiner Insolvenzgrund ist gemäß § 17 InsO die Zahlungsunfähigkeit. Daneben begründet für juristische Personen auch die Überschuldung nach § 19 InsO die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Allein der Schuldner kann einen Insolvenzeröffnungsantrag zudem auf den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) stützen. Die Zahlungsunfähigkeit ist in der Praxis der häufigste Insolvenzeröffnungsgrund, der dazu für die mit der Liquiditätslage eines Schuldners nicht im Detail vertrauten Gläubiger infolge ausbleibender Zahlungen regelmäßig am ehesten zutage tritt. Der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des BGH hat in den letzten Jahren mit mehreren Entscheidungen den Begriff der Zahlungsunfähigkeit weiter konkretisiert und damit der Insolvenzpraxis neue Vorgaben an die Hand gegeben.

Zahlungsstockung

Ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 S.1 InsO). Allerdings begründet noch nicht jede Liquiditätsschwierigkeit des Schuldners bereits die Zahlungsunfähigkeit. Ein Mangel an Zahlungsmitteln, der sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, gilt lediglich als Zahlungsstockung und stellt noch keinen Insolvenzeröffnungsgrund dar. Zahlungsstockung ist eine Illiquidität, die den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen1) oder in sonstiger Weise zu beschaffen.2) Dies kann etwa durch die Gewährung neuer Kredite, durch den Einzug noch ausstehender Forderungen oder durch die kurzfristige Veräußerung von Betriebsvermögen geschehen. Die Höhe der Liquiditätslücke ist insoweit unbeachtlich, entscheidend ist die zeitliche Komponente. Der BGH billigt dem illiquiden Schuldner als Zeitraum für die Kreditbeschaffung drei Wochen zu.3) Diese Dreiwochenfrist orientiert sich an § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG und § 92 Abs. 2 S. 1 AktG, aus denen folgt, dass der Gesetzgeber eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit einer Gesellschaft längstens drei Wochen hinzunehmen bereit ist. Gelingt es dem Schuldner nicht, innerhalb dieser dreiwöchigen Frist die erforderliche Liquidität zu beschaffen, und dauert der Mangel an liquiden Zahlungsmitteln weiter an, handelt es sich nicht mehr um eine rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung. Die Zahlungsstockung kann zur Zahlungsunfähigkeit werden.

Den Begriff der Zahlungsstockung mag folgendes Beispiel illustrieren: Ein mittelständischer Zuliefererbetrieb verfügt am 1.1. über liquide Mittel von 1 100 000 Euro. Die fälligen Verbindlichkeiten belaufen sich für dieses Beispiel revolvierend auf konstant 1 000 000 Euro. Die laufenden Betriebskosten übersteigen zu Monatsbeginn die eingehenden Zahlungen. In der Folgezeit sinkt die Liquidität am 5.1. auf 1 050 000 Euro, am 10.1. beträgt sie 1 000 000 Euro. Bis zum 20.1. hat sich die Liquiditätslage kontinuierlich auf 700 000 Euro verschlechtert, mithin können Verbindlichkeiten in Höhe von 300 000 Euro trotz Fälligkeit nicht bedient werden. Am 21.1. erhält der Zuliefererbetrieb seitens seiner liquiden Großkunden Zahlungen und verfügt damit wieder über Zahlungsmittel von 1 200 000 Euro bei fälligen Verbindlichkeiten von 1 000 000 Euro. Ein Mangel an Zahlungsmitteln bestand lediglich für zehn Tage (11.1. bis 20.1.) und wurde somit innerhalb der Dreiwochenfrist der Rechtsprechung behoben. Folglich lag noch keine Zahlungsunfähigkeit, sondern lediglich eine (unbeachtliche) Zahlungsstockung vor.

Zahlungsunfähigkeit

Vermag es der Schuldner nicht, eine Liquiditätslücke innerhalb von drei Wochen zu schließen und liegt damit keine Zahlungsstockung mehr vor, sieht der BGH dennoch nicht jeden Schuldner, der seine Verbindlichkeiten nicht vollständig bedienen kann, als zahlungsunfähig an. Denn soweit seine Auftragslage sich gut gestaltet und künftig mit anderen Zahlungseingängen gerechnet werden kann, wäre es unangemessen, wenn der Schuldner wegen einer vorübergehenden Unterdeckung von wenigen Prozent, die nicht binnen drei Wochen beseitigt werden kann, einen Insolvenzantrag stellen müsste. Dies gilt insbesondere angesichts in manchen Branchen verbreiteter saisonaler Effekte, die immer wieder zu Liquiditätsengpässen führen können, jedoch durch die üblicherweise mit der wirtschaftlichen Erholung in der angelaufenen Saison verbundenen Liquiditätszuflüsse wieder ausgeglichen werden.

  • Zur näheren Bestimmung einer solchen unbeachtlichen geringfügigen Liquiditätslücke geht der BGH4) von folgenden widerlegbaren Vermutungen aus:
    Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als zehn Prozent der Gesamtsumme seiner fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als zehn Prozent erreichen wird.
  • Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners hingegen zehn Prozent oder mehr, kann der Schuldner also nur 90 Prozent oder weniger der Gesamtsumme seiner fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten begleichen, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

In beiden Fällen gilt Folgendes: Je näher die konkret festgestellte Unterdeckung dem Schwellenwert von zehn Prozent kommt, desto geringere Anforderungen sind an das Gewicht der besonderen Umstände zu richten, mit denen die Vermutung entkräftet werden kann. Umgekehrt müssen umso schwerer wiegende Umstände vorliegen, je größer der Abstand der tatsächlichen Unterdeckung von dem Schwellenwert ist.5) Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Zukunftsprognose des Schuldnerunternehmens unter Berücksichtigung der Auftrags- und Ertragslage zu. Selbst wenn der Schwellenwert nicht erreicht wird, kann eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen, wenn ausreichende Tatsachen eine weitere negative geschäftliche Entwicklung des Schuldners und damit die weitere Verschlechterung der Befriedigungschancen der Gläubiger erwarten lassen.

Zur Veranschaulichung dieser abstrakten Vorgaben der Rechtsprechung mag folgendes Beispiel dienen: Der bereits erwähnte Zuliefererbetrieb verfügt am 1.2. nur noch über liquide Mittel von 1 000 000 Euro. Die fälligen Verbindlichkeiten betragen 1 000 000 Euro. Aufgrund der laufenden Betriebskosten tritt ab dem 2.2. eine Liquiditätsunterdeckung ein. Bis zum 23.2. vermindern sich die Zahlungsmittel infolge einer deutlich verringerten Auftrags- und Ertragslage beständig auf 800 000 Euro. Verbindlichkeiten in Höhe von 200 000 Euro werden trotz Fälligkeit geschoben. Zahlungsmitteln von 800 000 Euro stehen also Verbindlichkeiten von 1 000 000 Euro gegenüber, die Unterdeckung beträgt 20 Prozent. Da der Liquiditätsmangel nicht innerhalb von drei Wochen behoben wurde, kann nicht mehr von einer Zahlungsstockung gesprochen werden. Angesichts einer Unterdeckung von 20 Prozent liegt nach der Rechtsprechung des BGH auch keine geringfügige Liquiditätslücke mehr vor, vielmehr ist regelmäßig - vorbehaltlich ein weiteres Zuwarten ausnahmsweise rechtfertigender Umstände - von Zahlungsunfähigkeit auszugehen.

Wandelt man die wirtschaftliche Entwicklung aber nur leicht ab, so zeigt sich die Bedeutung der im Einzelfall zu berücksichtigen Umstände: Der Zuliefererbetrieb verfügte im Beispiel am 1.2, über liquide Mittel von 1000 000 Euro und fällige Verbindlichkeiten von ebenfalls 1000000 Euro. Angenommen, die Auftrags- und Ertragslage verschlechtert sich nur leicht, die Zahlungsmittel verringern sich kontinuierlich um 100 000 Euro, das Unternehmen erhält jedoch am 11.2. eine Steuerrückerstattung von 10 000 Euro, dann verbessert sich die Liquiditätslage zum 23.2. auf 910 000 Euro, denen Verbindlichkeiten von 1 000 000 Euro gegenüberstehen. Die Unterdeckung beträgt lediglich neun Prozent. Nach der Rechtsprechung des BGH ist damit regelmäßig von einer geringfügigen Liquiditätslücke und folglich von Zahlungsfähigkeit auszugehen. Daneben ist aber stets die Zukunftsprognose des Schuldners in Auge zu behalten. Setzt sich die verschlechterte Auftrags- und Ertragslage des Zulieferbetriebs fort und wird die Liquiditätslücke 'voraussichtlich bald mehr als zehn Prozent betragen, kann aufgrund der Umstände des Einzelfalls doch eine Zahlungsunfähigkeit zu bejahen sein. Handelt es sich jedoch nur um einen einmaligen Auftragseinbruch, kann eine positive Zukunftsprognose anzunehmen sein. Dann läge nur eine geringfügige Liquiditätslücke, aber keine Zahlungsunfähigkeit vor.

Feststellung der Liquiditätssituation

Zur Feststellung der Liquiditätssituation sind - regelmäßig im Rahmen einer Liquiditätsbilanz - die aktuell verfügbaren und kurzfristig verfügbar werdenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den an demselben Stichtag fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten.6) Der BGH berücksichtigt zwar insoweit ebenso Zahlungseingänge nach dem jeweiligen Stichtag bei der Ermittlung der stichtagsbezogenen Liquidität, hatte aber aufgrund der ihm vorliegenden Sachverhalte offenbar keine Veranlassung, nach dem Stichtag eintretende Vermehrungen der fälligen Verbindlichkeiten expressis verbis in seine Liquiditätsbetrachtung einzubeziehen. Es wäre indessen sicher verfehlt, hieraus den Schluss zu ziehen, dass die Entwicklung der Verbindlichkeiten unberücksichtigt bleiben dürfe. Denn eine solche allein auf die Aktiva bezogene Vermengung von Stichtags- und Zeitraumbetrachtung ließe außer Betracht, dass in der Folgezeit weitere Verbindlichkeiten entstehen, die der Schuldner dann gleich einer „Bugwelle“7) vor sich herschieben könnte. Diese Betrachtungsweise würde dem Schuldner erlauben, den Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung nach hinten zu schieben und auf diese Weise zulasten der Insolvenzmasse und damit der Gläubiger weitere Verbindlichkeiten zu begründen. Ein solches Verhalten widerspräche der Zielsetzung des Gesetzgebers einer frühzeitigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, mit der eine höhere Insolvenzmasse und damit gesteigerte Sanierungschancen sowie allgemein bessere Verfahrensergebnisse angestrebt werden.8)

Richtigerweise sind daher in einem ersten Schritt stichtagsbezogen nur die fälligen werthaltigen Forderungen und sonstigen aktuell vorhandenen liquiden Mittel (Kasse, Bankguthaben, Wechsel, Schecks, sofort abrufbare Kredite) den fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten gegenüberzusetzen. Auf dieser Grundlage ist eine gegebenenfalls bestehende Liquiditätslücke zu bestimmen. In einem zweiten Schritt ist der vorhandene Zahlungsmittelbestand um die in drei Wochen fällig werdenden Außenstände und weitere realisierbare liquide Mittel (neue Kreditlinien, Veräußerungserlöse) zu erweitern. Überfällige und bereits wertberichtigte Forderungen sollten hierbei nur in Höhe der innerhalb der Dreiwochenfrist zu erwartenden Zahlungen berücksichtigt werden. Vermögensgegenstände, die nicht innerhalb von drei Wochen liquide gemacht werden können, stellen keine Liquidität im Sinne des § 17 InsO dar. Auf der Passivseite sind die aktuell fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten um die in drei Wochen fällig werdenden eingeforderten Verbindlichkeiten zu ergänzen. Soweit eine bestehende Liquiditätslücke nach dieser Prognose nicht innerhalb von drei Wochen vollständig beseitigt ist, schlägt die Zahlungsstockung - vorbehaltlich der konkreten Unterdeckung - in eine Zahlungsunfähigkeit um.

Die Fälligkeit einer Verbindlichkeit muss dabei nicht nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (§ 271 Abs. 1 BGB) vorliegen. Zur Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit ist eine Verbindlichkeit in der Regel dann im Sinne von § 17 Abs. 2 Ins0 fällig, wenn sie vom Gläubiger „ernsthaft eingefordert" worden ist. Dazu bedarf es einer Gläubigerhandlung, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Dies ist grundsätzlich schon bei der Übersendung einer Rechnung zu bejahen. Hingegen sind Verbindlichkeiten, deren Gläubiger sich für die Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit einer späteren oder nachrangigen Befriedigung einverstanden erklärt haben, bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zu berücksichtigen.9) Dies stellt sich insbesondere dann ein, wenn ein Gläubiger einer Zahlung nach den finanziellen Möglichkeiten des Schuldners zustimmt. Das Merkmal des „ernstlichen Einforderns" entspricht der früheren Rechtsprechung zu § 102 KO und wurde vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 19. Juli 200710) – entgegen der in der Kommentarliteratur vorherrschenden Auffassung – auf § 17 Abs. 2 InsO übertragen. Dementsprechend ist dieser Beschluss des BGH

auf große Kritik gestoßen, der im Ergebnis zuzustimmen ist. Die Abgrenzung zwischen fälligen und fälligen, aber nicht eingeforderten Verbindlichkeiten hätte ohne Weiteres mit den Mitteln des allgemeinen Zivilrechts, insbesondere der Annahme einer (stillschweigenden) Stundungsvereinbarung erreicht werden können.11) Ebenfalls hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einer insolvenzstrafrechtlichen Entscheidung das Merkmal des ernsthaften Einforderns ausdrücklich abgelehnt.12) Insoweit scheint eine weitere Fortentwicklung der Rechtsprechung derzeit nicht ausgeschlossen, wenngleich für die zivilrechtliche Beurteilung vorerst die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats maßgeblich bleibt. Danach sind allerdings nur geringe Anforderungen an das ernstliche Einfordern zu stellen. Insbesondere muss ein Gläubiger das Zahlungsverlangen weder regelmäßig noch auch nur ein einziges Mal wiederholen, damit seine Forderung bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen ist.13)

Eine Zahlungsunfähigkeit kann dann ausnahmsweise noch abgewendet werden, wenn die Liquiditätslücke „demnächst" vollständig oder fast vollständig beseitigt wird. In der Praxis kommt insoweit vorrangig eine liquiditätswirksame Veräußerung von vorzugsweise nicht betriebsnotwendigem Anlagevermögen (Immobilien, Kraftfahrzeuge, Maschinen) in Betracht. Der BGH sieht von einer näheren Konkretisierung des Zeitraums, der dem Schuldner zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit zur Verfügung steht, offenbar bewusst ab, damit die Gerichte Einzelfälle flexibel handhaben können. Es scheint - im Einzelfall - sogar nicht ausgeschlossen, die Liquiditätslücke erst drei Monate nach Antragstellung durch Veräußerung einer Immobilie zu beseitigen und auf diese Weise der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit zu entgehen.14) Es muss den Gläubigern jedoch nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumutbar sein, eine solchermaßen verzögerte Zahlung des Schuldners abzuwarten. Mithin darf den Gläubigern aus ihrem Zuwarten kein Nachteil erwachsen, etwa weil die Zukunftsprognose des Schuldnerunternehmens negativ ausfällt oder in der Person des Schuldners beziehungsweise seiner Organe Umstände begründet liegen, die das Vertrauen der Gläubiger auf die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Forderungen „demnächst" erschüttern; so etwa erhebliche Unregelmäßigkeiten im Geschäftsgang oder der (Anfangs-) Verdacht einer Insolvenzstraftat.

Zahlungseinstellung

Die Zahlungsunfähigkeit wird gemäß § 17 Abs. 2 S.2 InsO gesetzlich vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Als Zahlungseinstellung gilt dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.15) Ausreichend ist bereits die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger, wenn dessen Forderung von insgesamt nicht unerheblicher Höhe ist.16) Zahlungseinstellung bedeutet indes nicht, dass der Schuldner überhaupt keine Zahlungen mehr leistet. Es reicht bereits die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten aus. Dies gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen zwar beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen.17) Allerdings hat der BGH den Begriff der Wesentlichkeit nicht näher quantifiziert. In der Literatur wird teilweise vertreten, der Schuldner erfülle den wesentlichen Teil seiner Verbindlichkeiten nicht, wenn er zehn Prozent oder mehr der fälligen und eingeforderten Gesamtschulden nicht zu tilgen vermag.18) Diese Betrachtungsweise vermengt jedoch den Begriff der „geringfügigen Liquiditätslücke", die im Regelfall schon keine Zahlungsunfähigkeit zu begründen vermag, mit dem des „nicht wesentlichen Teils" und fällt zu streng aus. Zudem ist aus der bewussten Wahl unbestimmter Rechtsbegriffe durch den BGH zu folgern, dass er einen prozentualen Schwellenwert zur Festlegung der Zahlungseinstellung nicht befürwortet, sondern sich eine Entscheidung im Einzelfall vorbehält. Für die Praxis lässt sich jedoch festhalten, dass jedenfalls die lediglich hälftige Bedienung fälliger Verbindlichkeiten eine Zahlungseinstellung nicht mehr auszuschließen vermag.19)

Da sich die Zahlungseinstellung lediglich am äußeren Verhalten des Schuldners orientiert, kann bereits eine eigene Erklärung des Schuldners, fällige - nicht unerhebliche - Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auf eine Zahlungseinstellung hindeuten. Dies gilt selbst dann, wenn diese Erklärung mit einer Stundungsbitte versehen ist, soweit die betroffenen Forderungen schon fällig (§ 27I Abs. 1 BGB) geworden sind.20) Typisch für eine Zahlungseinstellung ist die Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge oder der Arbeitnehmerlöhne. Weitere Anhaltspunkte sind die Einstellung anderer betriebsnotwendiger Zahlungen, wie etwa Versicherungsprämien, Umsatz- und Gewerbesteuer oder Energie- und sonstiger Betriebskosten, aber auch die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger wegen erheblicher Forderungen. Einer ausdrücklichen Zahlungsverweigerung des Schuldners bedarf es nicht. Die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit wegen Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO kann allerdings widerlegt werden. Dies geschieht am eindeutigsten durch die Wiederaufnahme der Zahlungen für alle fälligen Verbindlichkeiten. Erforderlich ist dies jedoch nicht. Der BGH lässt es zur Beseitigung einer einmal eingetretenen Zahlungseinstellung ausreichen, dass der Schuldner seine Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen hat.21)

Referenzen

1) BGH, Urteil vom 24.5.2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 = NJ W 2005, 3062 = ZIP 2005, 1426 = WM 2005, 1468 m. Anm. Thonfeld NZI 2003, 550 und Bespr. Hölzle ZIP 2006, 101.

2) Vgl. z.B. Obermüller, Insolvenzrecht in der Praxis, 7. Aufl. 2007, Rn. 1.137.

3) BGH (Fn. 1) ZIP 2005, 1426, 1428.

4) BGH (Fn. 1) ZIP 2005, 1426, 1430.

5) BGH (Fn. 1) ZIP 2005, 1426, 1430.

6) BGH, Urteil vom 12.10.2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2224 = WM 2006, 2312 m. Anm. Gundlach/Frenzel NZI 2007, 38 und Bespr. Hölzle ZIP 2007, 613; BGH (Fn. 1) ZIP 2005, 1426, 1428.

7) Wolf/Kurz DStR 2006, 1339, 1342.

8) Vgl. RegE, InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 80 f., 114; so auch Hölzle ZIP 2007, 613, 615; Knolle/Tetzlaff ZinsO 2005, 897, 900.

9) BGH, Beschluss vom 19.7.2007 - IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666, 1668 m. Bcspr. Tetzlaff ZInsO 2007, 1334.

10) BGB (Fn. 9) ZIP 2007, 1666, 1667 f.

11) Schröder EWiR § 17 InsO 2/07, 665.

12) BGH, Beschluss vom 23.5.2007 – 1 StR 88/07, ZlnsO 2007,1115.

13) BGH (Fn. 9) ZIP 2007, 1666, 1663.

14) Vgl. BGH (Fn. 9) ZIP 2007, 1666 (Sachverhalt), 1668; so auch Tetzlaff ZlnsO 2007, 1334, 1336 und Neumaier NJW 2005, 3040, 3043.

15) BGH (Fn. 6) ZIP 2006, 2222, 2223 mwN.

16) BGH, Urteil vom 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZIP 2002, 87, 89 = NJW 2002, 515 = WM 2002, 137.

17) BGH (Fn. 15) ZIP 2006, 2222, 2223 f. mwN.

18) Hölzle ZIP 2007, 613, 618.

19) Vgl. BGH, Urteil vorn 19.12.2002 – IX ZR 377/99, ZIP 2003, 433, 491 = WM 2003, 524 (53-71 Prozent nicht erfüllte Verbindlichkeiten).

20) Differenzierend Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar-InsO, 4. Aufl. 2006, § 17 Rn. 30 f.

21) BGH (Fn. 15) ZIP 2006, 2222, 2224; BGH, Urteil vorn 8.12.2005 – IX ZR 182/01, WM 2006, 190, 193.

Go back

Copyright © Godefroid & Pielorz Rechtsanwälte    |    Website by werft6.com
Wir verwenden auf unserer Website ausschließlich Cookies, die für die vollständige Nutzung der Website technisch erforderlich sind. Für Einzelheiten verweisen wir auf unsere Datenschutzhinweise.
OK